ENERCITY - Skandal um kommunales hannoveraner Energieversorgungsunternehmen
Das hannoveraner kommunale Energieversorgungs-Unternehmen ist mehr als in Erklärungsnot: Das zu 75% in Händen der Stadt Hannover befindliche Unternehmen hat im Krisenjahr 2022 ca 220 Millionen Euro Gewinn gemacht. Gleichzeitig hatte es Verträge mit der Göttinger Abteilung der Adler Group abgeschlossen, die auf Spekulation mit den Börsenpreisen für Gas basierten. Die LEG als Aufkäuferin der ca 1100 Adler-Wohnungen hat diese fragwürdigen Verträge übernommen mit der Folge, dass die LEG-Mieter*innen in Göttingen mit den Nebenkostenabrechnungen für 2022 hohe Nachforderungen zugesandt bekamen, oft Beträge über 3000,- Euro, in der Spitze bis zu 9000,- Euro, und das bei einem durchschnittlichen Minderverbrauch von 25 %. Und folgerichtig sollen in Zukunft die Vorauszahlungen um mehrere hundert Euro monatlich steigen: Warmmieten für LEG-Wohnungen von 1200 bis 1600 Euro sind aber für Viele unbezahlbar.
Hannover dürfte nach dem Jahr 2022 ca 160 Millionen Euro des Gewinns im Stadtsäckel vorgefunden haben. Die Stadt Göttingen überlegt hingegen, welch hohen Anteil sie, auch über einen Härtefonds, von den Forderungen übernehmen wird. Das wird Göttingen leicht einige hunderttausend Euro kosten und dennoch nicht alle Mieter*innen entlasten; Menschen mit mittlerem Einkommen könnten dann gezwungen sein, Kredite aufzunehmen und hohe Beträge zu zahlen.
Problematisch ist zur Zeit, dass es wohl wenig echte Bemühungen von Göttinger SPD und den Göttinger Grünen gibt, in Hannover auf Stornierung der Forderungen zu drängen: Hannover könnte das und ca 1,5 Millionen Euro wären auch angesichts der hohen Ernercity-Profite verschmerzbar.
Übrigens: ENERCITY hat bei der Belieferung der Hannoveraner Kund*innen andere, seriöse, wenn auch nicht gerade besonders günstige Verträge abgeschlossen.
WOHNUNGSPOLITIK – eine Stärke der Linken, die wir ausbauen und nutzen sollten:
Mieten & Wohnen, ein wichtiges Feld politischer Arbeit, in dem wir als Linke quasi ein Alleinstellungsmerkmal haben: Nur die Linke vertritt konsequent die Interessen der Mieter*innen. Und dieses Arbeitsfeld wird gesellschaftlich immer wichtiger, da sich die dramatische Lage am Wohnungsmarkt so zuspitzt, dass jetzt auch die Öffentlichkeit immer mehr aufhorcht und auch bürgerliche Medien nach Lösungen fragen.
Hintergrund ist sicher auch, dass andere Kapitalinteressen zunehmend befürchten, dass vom Kuchen für sie nicht genügend übrig bleibt, wenn Mieter*innen gezwungen sind, stetig mehr ihres Gesamtetats an die Immobilien-Besitzenden abführen müssen. Die gewaltige Umverteilung des Vermögens von Mieter*innen zu Immobilienbesitzenden läßt zunehmend weniger Spielraum für anderen Konsum, für Anschaffungen wie PKW, Restaurant-Besuche oder Urlaube bei jenen, die das bisher (gerade noch) konnten. Das erst beunruhigt die gesamte Wirtschaftslobby; viele Jahre hatte sich dieser Prozess abgezeichnet, nun erst ist es nicht mehr nur für die Mieter*innen ein Problem.
Sozialwohnungen sind drastisch reduziert: Immerhalb von 10 Jahren hat sich deren Zahl halbiert: von ca 2 auf eine Millionen Wohnungen bundesweit. Bezahlbarer Wohnraum fehlt zunehmend mehr nicht nur in Großstädten und Ballungsräumen; auch Kleinstädte sind betroffen. So fehlen auch in Göttingen 3000 bezahlbare Wohnungen.
Immobilienkonzerne haben sich Anteile am Wohnungsmarkt gesichert und nutzen zum einen jede Möglichkeit zur Mietsteigerung, zum anderen jede Nebenkostenabrechnung zugunsten von Zusatzgewinnen (sie nennen es „add value“, allein VONOVIA bringt das ca 150 Millionen Euro Gewinn jährlich für die Aktionär*innen).
Die Ampel-Koalition schafft es nur noch, sog. „Ziele“ zu formulieren, so beispielhaft jene geplanten 400.000 neue Wohnungen jährlich, davon 100.000 bezahlbare Sozialwohnungen, um dann beim Verfehlen dieser Ziele (2023 lediglich ca 270.000 Wohnungen, 2024 werden es noch weniger sein) weitgehend mit den Achseln zu zucken.
Die gewaltige Katastrophe am Wohnungsmarkt hat viele Folgen: Menschen mit niedrigem bis mittleren Einkommen können in viele Städte nicht mehr ziehen und entsprechend dort nicht mehr arbeiten; andere Menschen verlieren ihre Wohnungen und müssen die Städte verlassen, andere werden wohnungslos: Die Zahl der Menschen, die ganzjährig auf den Campingplatz zu ziehen versuchen, steigt. Nicht gerade ein gutes Leben im kalten Winter.
Die Verdoppelung der Heizkosten 2022/23 hat den fnanziellen Spielraum weiterer Mieter*innen eingeengt oder schon gesprengt: Je nach Mentalität machen sich Wut, Angst und Verzweiflung breit. Manch eine*r erkennt hier nur, dass es ihr/ihm zunehmend wirtschaftlich schlechter geht.
Wir als Linke müssen verdeutlichen, dass Profitgier und kapitalistisches Gewinnstreben Ursache der Probleme vieler Mieter*innen sind; wir müssen klarmachen, dass Wohnen ein Menschenrecht ist und keine Ware. Wir müssen möglichst viele Menschen mitnehmen im Kampf gegen die Ausbeutung der Mieter*innen.
Wir müssen jetzt und natürlich auch im Bundestagswahlkampf, später bei Kommunalwahlen, vorher schon bei den im Herbst anstehenden Landtagswahlen mobilisieren für unsere Forderungen, um im Bereich Mieten&Wohnen eine soziale Gerechtigkeit zu schaffen:
- Kurzfristig fordern wir mit anderen einen fünfjährigen MIETENSTOPP. Wir wissen aber, dass uns das Luft verschafft, aber in vielen Städten zu spät kommt: Ein Mietenstopp allein in München, Köln, Dusseldorf oder Berlin hilft bei Mieten bis zu 25 Euro/qm nicht mehr Vielen.
- Deshalb fordern wir einen bundesweiten Mietendeckel. Der Mietendeckel in Berlin kam nicht zustande, weil Gerichte einem Land die Kompetenz dazu absprach. Ein bundsweiter Mietendeckel, bei dem alle Länder jeweils festlegen, wie hoch die Mieten sein dürfen und wie weit sie gesenkt werden müsen, ist rechtlich möglich und muss unser Ziel sein.
- Wir fordern die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne. Diese Konzerne treiben Mieten und Nebenkosten drastisch nach oben, um ihre Aktionär*innen mit Dividenden zu versorgen. Wohnen gehört nicht an die Börse! Die Wohnungen müssen rekommunalisiert werden, damit sie für Mieter*innen mit geringem und mittlerem Einkommen leistbar bleiben bzw. werden.
- Wir fordern den Neubau von bezahlbarem, und zwar dauerhaft bezahlbarem Wohnraum. Vorbild ist Wien. Die Städte müssen in die Lage versetzt werden, diesen dauerhaft preiswerten Wohnraum mit ihren kommunalen Wohnungsbau-Gesellschaften zu erstellen.
- Dazu brauchen wir (die bereits für 2023 zugesagte) Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Mit dieser und der damit zugesagten Förderung und steuerlichen Besserstellung müssen Kommunen wie die Göttinger, die jetzt nur „bedauern“, dass sie keinen bezahlbaren Wohnraum schaffen können, in die Lage versetzt werden, diesen bezahlbaren Wohnraum zu erstellen.
- Wir brauchen bundesweit Zweckentfremdungssatzungen und die Kommunen ,müssen in die Lage versetzt werden, die Inhalte dieser Satzungen umzusetzen. Leerstand bleibt zur Zeit oft unbeanstandet und geniesst dann auch noch eine steuerliche Förderung. Wahnsinn!
. Wir fordern die soziale Wärmewende. Mieter*innen haben zunehmend Angst vor Sanierungen, da dieses dann eine höhere Miete zur Folge hat. Viele wollen sanierte Wohnungen, können sich diese aber nicht mehr leisten. Das Konzept der sozialen Wärmewende sieht u.a. vor, dass die ca 3 Millionen Wohnungen, die in den 60er und 70er-Jahren meist als Betriebswohnungen gebaut wurden und die jetzt (neben Ein- und Zweifamilienhäusern) besondere klimaschädliche CO2-Schleudern geworden sind, mit staatlicher Förderung, das heisst, ohne Mietsteigerungen, saniert werden.
- Wir brauchen bundesweit bedingungslose „Housing-First“-Konzepte mit Betreuung, falls gewünscht. Auch hierfür brauchen die Kommunen Förderung (Geld) und Stellen.
- In Niedesachsen fordern wir, dass die bereits gegründete Landeswohnungsbau-Gesellschaft endlich tätig wird und ihrem von GRÜNEN und SPD propagiertem Ziel gerecht wird: Gemeinsam mit den kommunalen Wohnungsgesellschaften dauerhaft preiswerten Wohnraum zu schaffen. Landeswohnungsbau-Gesellschaft: Wir achten darauf, was ihr (nicht) tut.
Es gibt viel zu tun! Aber es gibt auch viele Betroffene, die unter der schlechten Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte leiden. Wenn wir klarmachen, was wir wollen und dass wir möglichst viele Menschen für diesen sozialen Kampf gewinnen wollen, gewinnen alle an Kraft: Die Mietenbewegung und die Partei Die Linke, unsere Partei.
"Als großartigen Erfolg gegen willkürliche Nebenkosten-Abrechnungen des Immobilienkonzerns LEG" bezeichnet Karlheinz Paskuda, der wohnungspolitische Sprecher des Kreisverbandes der Linken Göttingen/Osterode, die gestrige Protestveranstaltung im Nachbarschaftshaus in Grone. „Dass sich mehr als hundert Mieter:innen mit ihren LEG-Nebenkostenbescheiden in Prüfgemeinschaften zusammengeschlossen haben, ist ein bundesweit so noch nicht bekannter Vorgang, vorbildlich auch für andere Initiativen, in denen die Immobilienkonzerne Standorte haben."
Paskuda, der auch in mehreren bundesweiten Mieter*innen-Zusammenschlüssen (Mieter*innenbündnis VONOVIA, LEG &Co) arbeitet und als sog. "Kritischer Immobilenaktionär" die Mieter*innen auf den Jahreshauptversammlungen der Konzerne vertritt, weiß um die Bemühungen der Konzerne, auch an den Nebenkosten kräftig zu verdienen. Nach den Zinserhöhungen der letzten Jahre, dem Stagnieren der Immobilenpreise und der hohen Verschuldung der Ḱonzerne sind diese gezwungen, mit ständigen Mieterhöhungen und Zusatzgewinnen durch die Nebenkosten (im Geschäftsbericht werden diese Gewinne "adds value" genannt) neben hohen Profiten für die Aktionär:innen auch noch die hohen Zinslasten zu refinanzieren. Die hohen Nebenkosten-Abrechnungen sind daher keinesfalls "Rechenfehler", sondern Teil einer Strategie, die darauf baut, dass Mieter:innen aus Angst um ihre Wohnungen die Auseinandersetzungen scheuen und die ungerechtfertigten Abrechnungen zahlen.
"Keinesfalls kann den Mieter:innen gekündigt werden, solange die Belege für die Nebenkosten nicht erbracht werden und die Mieter:innen ihre Kaltmiete und die Nebenkosten im früheren Umfang zahlen", so Paskuda.
"Dringend gewarnt werden muss auch davor, die Kosten "unter Vorbehalt" zu überweisen", so Paskuda. Das kehrt die Beweislast um: "Die Mieter*innen sehen ihr Geld dann nie wieder".
Die Linke Göttingen/Osterode hofft, dass möglichst alle Mieter*innen sich dem Protest anschließen. Eine Registrierung dazu ist noch an den nächsten Mittwochen (10. Und 17.1.) 17:00 bis 18:00 Uhr im Nachbarschaftshaus möglich.
Unklar blieb bei der Veranstaltung im Nachbarschaftszentrum am Jonaplatz, ob die Stadt Göttingen selbst aktiv wird und gegen die Nebenkostenbescheide der Leistungsempfänger vorgeht. Die Vertreterin der Stadt empfahl jedoch allen Bewohner:innen, sich dem Protest anzuschließen und in die Prüfgemeinschaften einzutreten. Wobei es nicht hinnehmbar wäre, wenn diese Abrechnungen, die für die Stadt einen Zusatzaufwand von sicher mehr als 100.000 Euro bedeuten würden, stillschweigend an die LEG überweist. "Hier gibt es noch Handlungs- und Aufklärungsbedarf", so Karlheinz Paskuda.
Pressemitteilung zu den Nebenkostenabrechnungen der LEG in Göttingen-Grone
Der zweitgrößte deutsche Immobilienkonzern Deutschlands LEG überzieht in Göttingen gerade gnadenlos: Mieter*innen sollen mehrere tausend Euro Neben- und Heizkosten nachzahlen. Die Warmmieten steigen um mehr als 100 %, nicht leistbar von der Bevölkerung im Stadtteil.
Zunächst gilt es, den Forderungen zu widersprechen, Prüfgemeinschaften zu bilden und nicht zu zahlen, bevor die LEG alle Forderungen belegt hat. Wir können davon ausgehen, dass die LEG diese Belege nicht erbringen kann. Das bedeutet: Es muss nicht gezahlt werden. Auf keinen Fall genügen konzerninterne Rechnungen, die eine Unterfirma der LEG der anderen ausstellt! Wichtig auch: Nicht „Unter Vorbehalt“ zahlen! (Das hört sich vermeintlich gut an, kehrt aber die Beweislast um: Danach muss der Mieter beweisen, dass die Belege nicht korrekt sind.)
Knut Unger, MieterInnen-Vertreter aus Witten und Kritischer Immobilien-Aktionär, hatte schon in einer öffentlichen Veranstaltung im November 23 im Nachbarschaftshaus Grone erklärt, was passieren muss, wenn die Abrechungen eintreffen. Das wird dann am
8. Januar im Nachbarschaftshaus nochmals von der neugegründeten Gruppe erläutert, so dass niemand im Stadtteil Angst haben muss, allein dem Konzern ausgesetzt zu sein.
Allerdings ist die Aussage, die LEG habe da wohl nur einen Fehler gemacht, der versehentlich passiert sei, schlicht falsch: Die Gewine mit den Nebenkosten sind gerade für den krisengebeutelten Konzern LEG ein wichtiger Beitrag zum Geschäftsergebnis: Dort tauchen diese Gewinne (wie bei VONOVIA) als „add values“, also zusätzliche Gewinne, auf. Der Konzern hat die Hoffnung, dass zumindest ein großer Teil der MieterInnen zahlen wird, ohne alle Belege zu erhalten. Machen wir ihm einen Strich durch diese Hoffnung!
Die Kritischen Immobilien-AktionärInnen, zu denen auch ich gehöre, kämpfen inzwischen mit einer Vielzahl von Initiativen in Städten Deutschlands (Bochum, Gelsenkirchen, Stuttgart, Berlin, etc.) dafür, die ungerechtfertigte zweite Gewinnquelle der Konzerne, die Nebenkosten, abzustellen. Es geht auch vor Gericht: Da die Konzerne die Belege nicht erbringen können, gibt es inzwischen einige Urteile, dass die MieterInnen nicht zahlen müssen. Wohnen ist ein Grundrecht und gehört nicht an die Börse. Bis wir erreicht haben, dass diese Konzerne vergesellschaftet werden und die Wohnungen zurückgeführt werden in kommunales Eigentum, müssen wir den MieterInnen helfen, ungerechtfertigte Forderungen der Konzerne abzuwehren.
In Göttingen gibt es gute Chancen, diesen Angriff der LEG vollständig abzuwehren Gehen wir es gemeinsam an!
Karlheinz Paskuda
Wohnungspolitischer Sprecher des KV Göttingen Die Linke Göttingen/Osterode
Artikel in den Göttinger Blättern, S. 12, Januar 2023:
„Historische Möglichkeit: SOZIALES ZENTRUM jetzt!“
Die Initiative für ein Soziales Zentrum in der ehemaligen JVA hatte einige Monate ein Wahrnehmungsproblem: Nach der skandalösen Entscheidung des Göttinger Verwaltungsausschusses, entgegen der Empfehlung des Bauausschusses nur noch mit einem Investor aus Braunschweig zu verhandeln, dachten viele Göttinger*innen, die Entscheidung sei gefallen. Im Verwaltungsausschuss hatte die bürgerliche Haushaltsmehrheit aus SPD, CDU und FDP ihre Mehrheit gegen das Soziale Zentrum genutzt.
Schwierig war es dann bei Infoständen etc,, darauf hinzuweisen, dass es „nur“ um Verhandlungen ginge, deren Ausgang unsicher sei. Wie unsicher das Ganze war, zeigte dann der plötzliche Rückzug des einzigen Verhandlungspartners der Verwaltung vor wenigen Wochen: OB Broistedt steht nun wieder mit leeren Händen da, das alte denkmalgeschützte Gebäude der JVA in guter städtischer Lage steht nunmehr seit 14 Jahren leer und verkommt. Ein inakzeptabler Zustand.
„Eine historische Möglichkeit“, meint Almut Schilling, eine der Akteur*innen und Mitglied des Gesundheits-Kollektivs. Die Pläne für ein Soziales Zentrum stehen, die Finanzierung scheint gesichert, zwei Drittel der Sanierungskosten zahlen Land und Bund. Selbst bei 9 Millionen Euro Kosten (bisher geplant: Gesamtkosten 5,6 Mio) kämen so auf die Stadt nur 3 Millionen Euro zu und der Boden und das Gebäude bliebe im Besitz der Stadt!
Erinnern wir uns: Die Stadt war offenbar bereit, das Gebäude für den berühmten „Appel und ein Ei“, in dem Fall für ca 60.000 Euro an den Braunschweiger Investor zu verscherbeln. Was da entstehen sollte, war so mit schicken aber dennoch nebulösen Worten gepriesen: „Space working“ oder ähnliches versprachen Fortschritt und Aufbruch. Auch einige Wohnungen waren angedacht; die hätten wir auch gerne im Sozialen Zentrum. Doch die Initiator*innen des Sozialen Zentrums haben Umbaupläne zu Wohnungen als zu teuer und unrealistisch verworfen. Dem Investor aus Braunschweig wäre es vermutlich ähnlich gegangen: nur hätte der dann dennoch das Gelände längst gekauft. Oder er hätte Wohnungen für 20 Euro plus (Kaltmiete) angeboten.
Einziger erkennbarer „Vorteil“ eines Verkaufs an einen Investor: keine Arbeit für die Stadtverwaltung, keine Belastung für den neuen Baudezernenten. Ist es das wert? Nein. Es kann nicht Aufgabe einer Bauverwaltung sein, Arbeit an private Investor*innen abzugeben; Aufgabe muss es sein, Strukturen zu schaffen und Lösungen zu erarbeiten, die Göttingen lebenswerter machen; beim Sozialen Zentrum kann unser neuer eloquenter Dezernent da nun sinnvolle Initiativen ergreifen.
Der Wunsch der Göttinger*innen nach einem Sozialen Zentrum ist jedenfalls groß: Unterschriftensammlungen machen Spaß aufgrund der großen positiven Resonanz. Und insbesondere Menschen in dem Viertel rund um das SZ wünschen sich das!
Göttingen hat eine lange Geschichte von Auseinandersetzungen um Sanierungen, Verkauf und Abriss in der Innenstadt. So kämpften Aktivist*innen in den 70er-Jahren vergeblich um den Erhalt des Reitstallviertels. „Rettet das Reitstallviertel“ war der Titel von Demos und Aktionen 1975. Heute bedauert Göttingen angesichts der damals geschaffenen Realitäten, dass die Aktivist*innen diesen Kampf verloren haben. Und es gab Pläne, die noch weiter gingen: Zur Diskussion stand das ganze Viertel um die Johanniskirche. Was wäre das für ein riesiger Verlust gewesen, wenn die damaligen „Modernisierer*innen“ sich dort auch durchgesetzt hätten. Heute finden wir ein großes Transparent schräg gegenüber vom alten Audimax: „Rettet das Weender Tor“. Ein „Déjà vu“ - Erlebnis für alte Aktivist*innen.
Und Göttingen braucht keine Gentrifizierungsprojekte, wie es letztlich das Projekt der Braunschweiger Investor*innen geworden wäre. Göttingen fehlen 3500 preiswerte Wohnungen. Hier scheint in der Verwaltung noch nicht mal das Bewusstsein eines Missstandes angekommen. Wir müssen dieses Problem in Zeiten des Klimawandels lösen, ohne neue Zementburgen am Stadtrand zu bauen. Für das Viertel um die alte JVA bedeutet das: Behutsame Sanierungen, Einbindung des Sozialen Zentrums in den Stadtteil. Die Bauverwaltung hat da extrem hohen Handlungsbedarf: die Häuser nicht vergammeln und dann „notgedrungen“ abreissen zu lassen, sondern dort möglichst warmmietenneutral zu sanieren. Dafür zu sorgen, dass die Menschen in ihrem Viertel weiterhin wohnen und leben können.
In anderen Vierteln verdichten oder aufzustocken. Dazu braucht es auch städtische Mittel: ein soziales Wohnungsbau-Programm. Noch läuft es verkehrt: Die städtische Wohnungsbau-Gesellschaft SWB zahlt Millionenbeträge in den städtischen Haushalt. Und sowohl die SWB als auch die großen Genossenschaften schaffen kaum neuen preiswerten Wohnraum.
2023/24 nach Einführung der Neuen Gemeinnützigkeit könnte Göttingen eine neue gemeinnützige Wohnungsbau-Gesellschaft gründen, mit der neuen Landeswohnungsbau-Gesellschaft zusammenarbeiten und neuen preiswerten und gleichzeitig ökologischen Wohnraum schaffen. Nur muss das hier jemand angehen: Einer Koalition aus SPD, CDU und FDP wird man hier wenig Hoffnung entgegen bringen können. Es sei, wir machen da ganz viel Druck!
Was leistet die Stadtgesellschaft, um die Wohnungsnot auch in dieser Stadt zu bekämpfen?
DER KAMPF UM BEZAHLBAREN WOHNRAUM
Erst einmal: Jede Wohnung ist bezahlbar. Nur eben nicht für Menschen mit wenig Geld. Bezahlbar wird zudem bundesweit unterschiedlich definiert: In Mannheim mit 7,50 Euro kalt, in Ludwigshafen gelten 6 Euro als bezahlbar, in München vermutlich 10 bis 12 Euro. Eine Definition ist aber allgemeingültig: Die Miete inklusiver Nebenkosten darf 30% des Einkommens nicht überschreiten. Und nach dieser Definition fehlen auch in Göttingen nach Berechnung des Hans-Böckler-Institutes (2018) ca 3500 Wohnungen!
Durch hohe Mietpreissteigerungen entfernen wir uns auch in Göttingen vom Ziel, genügend bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen: Die Mieten stiegen in der Stadt von 2012 bis 2020 um 47 % (bei den VONOVIA-Gebäuden sogar um 67 %!), Wohnungen fallen aus der Sozialpreisbindung, neue bezahlbare Wohnungen werden nur in geringem Ausmaß hergestellt: In den Jahren 2018 bis 21 schätzungsweise 40 bis 50 Stück.
Gut in Göttingen und stabilisierend: Wir haben noch die kommunale Wohnungsbaugesellschaft SWB, die Wohnungsgenossenschaft und die Volksheimstätte mit insgesamt ca 11.000 Wohnungen.
Schlecht in Göttingen: Adler – jetzt LEG und VONOVIA haben mit ca 1300 bzw. 1440 Wohnungen preiswerten Wohnraum aufgekauft und teilweise zu Wohnungen im hohen mittleren Preisbereich „modernisiert“. VONOVIA-Wohnungen finden wir auf Immoscout zu Kaltmieten um die 9 Euro, 40 bis 50 Prozent teurer als die vergleichbaren Wohnungen der SWB und der Genossenschaften.
Was passiert in Göttingen, um den fehlenden bezahlbaren Wohnraum zu beschaffen? OB Broistedt spricht davon, „wir seien auf einem guten Weg“. Aber die einzige Massnahme, auf städtischen Grundstücken eine 30%-Quote vorzuschreiben, löst das Problem nicht annähernd. 3500 Wohnungen auf diese Art zu bauen, bedeutete, ca 11.000 Wohnungen in nächster Zeit durch private Investor*innen oder die SWB und die Genossenschaften auf städtischen Grundstücken zu bauen. Jede*r weiss, das ist nicht machbar. Es gilt zudem nur für Gelände, auf dem es vor dem Beschluss noch keinen Bebauungsplan gab....
Die „Deutschland-Koalition“ in Göttingen: Niemand weiss nix. In der CDU und FDP erwartbar, aber auch in der SPD scheint es keinerlei Fachkompetenz zum Thema „bezahlbares Wohnen“ zu geben. Die Verwaltung ist blockiert mit der Abberufung der Baudezernentin, nachdem zwei Jahre vorher bereits die Arbeit des damaligen Baudezernenten beendet wurde.
Die „Neue Wohnungs-Gemeinnützigkeit“(NWG) kommt 2023, verlautet aus der Bundes-Ampelregierung. Eine Chance auch für Göttingen. Die dann gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften erhalten eine stärkere Förderung, zahlen weniger Steuern, können sich auf den Bau bezahlbaren Wohnraums konzentrieren. Zwar wird bundesweit, so auch in Göttingen, bezweifelt, dass die etablierten kommunalen Wohnungsunternehmen trotz steuerlicher Vorteile die NWG beantragen werden, da sie sich dann auch transparenter machen müssten und eine effiziente Mietermitbestimmung ein Kriterium für die NWG wird. Da gebe es dann in wesentlichen Bereichen keine „Geschäftsgeheimnisse“ mehr und die Unternehmen müssten öffentlich vorrechnen, warum sie wirklich so teuer bauen müssen, wie sie vorgeben; es gäbe auch keinen geheim tagenden Aufsichtsrat mehr...
Aber in Göttingen müsste man jetzt schon beginnen zu planen, wie wir eine zusätzliche gemeinnützige Wohnungsbau-Gesellschaft aufbauen und mit Anfangskapital ausstatten.
Hoffen auf die Enteignung von VONOVIA: Das Geschäftsprinzip VONOVIA ist gesellschaftlicher Irrsinn: Ca. 180 Euro pro Wohnung und Monat gehen von der Miete direkt an die Aktionär*innen: der Betrag, den die Wohnungen teurer sind als Wohnungen der SWB und der Genossenschaften. Wir können uns vehement für die Enteignung und dann Überführung der Wohnungen in Gemeineigentum (z.B. der SWB) einsetzen.
Was klappt nicht in der Wohnungspolitik in Göttingen?
Leider viel.
Die Peinlichkeit, VONOVIA, Adler, vielleicht bald auch die LEG, im Bündnis für bezahlbaren Wohnen zu finden, macht Göttingen bundesweit lächerlich. Diese Mietpreistreiber, die mit dem hochtreiben der Mieten und zusätzlich mit den Nebenkosten (sie nennen es „add value“) Millionengewinne machen, sind keine Bündnis-Partner*innen!
Und wir brauchen endlich einen qualifizierten Mietspiegel. Der muss bis 2024 bundesweit in allen Städten über 100.000 Einwohner*innen ohnehin eingerichtet werden. Dieser qualifizierte Mietspiegel senkt keine Mieten, aber er schafft Rechtssicherheit und bewahrt uns vor der Praxis, dass Konzerne auf Vergleichswohnungen des eigenen Konzernes zur Begründung vom Mieterhöhungsverlangen hinweisen können.
Was bisher zu dem nicht klappt und absolut unsozial ist: Es gibt keine Milieuschutzsatzung, aber das Gegenteil davon schon: eine Erhaltungssatzung für die Oststadt, offenbar, um zu verhindern, dass hier Wohnraum für Menschen mit weniger Geld geschaffen werden kann. Pervers.
Was auch nicht mehr geht: Dass die SWB sogar ca 800.000 Euro ihres „Ergebnisses“ an die Stadt abführt. Das Gegenteil muss angedacht werden: Ein kommunales Wohnungsbau-Programm mit städtischen Mitteln!
Also: Es gibt viel zu tun in der Wohnungspolitik. Kämpfen wir gegen die Wohnungsnot auch in Göttingen!
Anmerkung; Der Artikel erschien im Juni 2022 in den Göttinger Blättern (Zeitung der Göttinger LINKEN)
Nach 40 Jahren in Mannheim, davon 35 Jahre Arbeit im Jugendkulturzentrum Forum, geht es zu einem Neuanfang nach Göttingen. Es ist die Stadt, in der ich bereits von 1970 bis 1981 lebte und nur ungern wegging, weil sich damals dort keine guten Arbeitsmöglichkeiten nach dem Studium der Sozialwissenschaften anboten. Und auch meine Frau lebte (zu anderen Zeiten) mal 8 Jahre in Göttingen. Kein Wunder, dass wir dort oft Kurzurlaube verbrachten und ich in den letzten Jahren gerne bei Tagungen und Konferenzen zusagte, wenn sie in Göttingen stattfanden.
Nun fand sich dort auch noch eine schöne und bezahlbare Wohnung, ruhig und doch in fußläufiger Nähe zur Innenstadt.
Politisch ändert sich natürlich etwas: Im Mannheimer Mieterverein kann ich im Frühjahr 2022 nicht erneut als stellvertretender Vorsitzender kandidieren. Nach 8 Jahren Vorstandsarbeit muss ich da ausscheiden. Das ist sehr schade.
Aber wohnungspolitische Arbeit wird auch in Göttingen gut möglich sein; und die bundesweite Arbeit auf diesem Gebiet geht ja weiter: Einen "Enteignungs"-Kongress plane ich gerade mit und hoffe, dass wir diesen Kongress zeitnah zur VONOVIA-JHV realisieren können. Und der VONOVIA-JHV kann ich ja am 15.04.2022 wieder als "kritischer Aktionär" beiwohnen.
Nur die konkrete Wohnungpolitik in Mannheim werde ich wohl nicht mehr (oder nur in wenigen Ausnahmefällen) hier kommentieren.
Also, nach dem Umzug in eine (nicht ganz) neue Stadt warten neue Aufgaben: Arbeit mit neuen Menschen. Möglich zu so vielen Themenbereichen, dass ich sicher nicht alles leisten kann. Aber ich kann alles in Ruhe angehen: Dort mitarbeiten, wo es sich am inhaltlich sinnvollsten erweist und es zudem am meisten Spaß macht. Darauf bin ich gespannt!
Übrigens: Alle Brücken werde ich nicht abbrechen und in nächster Zeit auch noch des öfteren in Mannheim sein. Wundert Euch nicht, wenn ich dann auch noch die ein- oder andere Aktion hier mitmachen werde...